6. Juni – kein gewöhnliches Datum in Schweden. Und diesmal auch für mich ein besonderer Tag im Kalender: Am schwedischen Nationalfeiertag 2018 sollte ich nämlich als schwedischer Neubürger offiziell begrüßt werden. Bei der “Mitbürger-Zeremonie” der Stadt Göteborg stand ich als “Neu-Schwedin” einmal ganz im Mittelpunkt. Zusammen mit 4900 anderen, die im vorigen Jahr die Staatsbürgerschaft erhalten hatten!
Da standen also Katja aus Deutschland, Melody aus Nigeria, José aus Venezuela und Nazreena aus Irak an diesem Tag vereint unter der schwedischen Flagge. Natürlich stolz wie Bolle und ein wenig feierlich im Gemüt, weil wir uns nun alle zu den demokratischen Werten dieses Landes bekennen, das uns so freundlich aufgenommen hat. Und ich finde: Erst eine solche Feier macht einem bewusst, welchen großen Schritt man als Aus- und Einwanderer eigentlich getan hat.
Die Staatsbürgerschaft kommt mit der Post
Die schwedische Staatsbürgerschaft kommt nicht ohne Weiteres, aber wenn – dann ohne viel Aufhebens mit der Post. Meine Papiere samt Urkunde hatte ich bereits im Februar 2017 erhalten, wenige Wochen nach dem Antrag bei der Migrationsbehörde. Damit hatte ich also schon alle Rechte und Pflichten eines schwedischen Bürgers. Wichtig für mich im Wahljahr 2018, wo ich als Neu-Schwedin erstmals an die Wahlurne für den “riksdagen” gehen darf.
Doch ein kluger Schwede sagte einst: Man soll “fira och fika”, so oft man kann. Also “feiern und Kaffee trinken” so oft sich die Gelegeneheit dazu bietet. Und deshalb war ich sehr angetan von der Neubürger-Zeremonie, die in schwedischen Städten und Gemeinden immer am Nationalfeiertag, 6. Juni, angeordnet wird: Als Zeichen der Wertschätzung und Zugehörigkeit für alle, die im abgelaufenen Jahr die schwedische Staatsbürgerschaft erhalten haben.
Bei uns in Göteborg ist dies sprichwörtlich ein “walk in the park”. Im schönen Park Slottskogen wird unter freiem Himmel das Festgelände aufgebaut, mit Bühne, Flaggenstangen und grünbekränsten Eingangsbereich. Hier übten wir Neubürger uns zunächst in der vornehmsten schwedischen Tugend: Schlange stehen. Nicht etwa, weil es strikte Einlasskontrollen gab, sondern weil es in Schweden Sitte ist, “zeitig da zu sein”…
Neubürger-Rekord in Göteborg
Die Stadt Göteborg hatte in diesem Jahr rekord-viele Neubürger eingeladen: über 4900, die wie ich seit 2017 einen schwedischen Pass haben. Gekommen waren sicher die Hälfte aller Eingeladenen, – zusammen mit ihrem Anhang bis zu 3 Personen. Bei wir waren das mein schwedischer Freund (der den Stein mit der Staatsbürgerschaft überhaupt erst ins Rollen brachte) und meine Schwiegermutter. Meine verbliebene deutsche Familie muss sich leider mit Fotos begnügen, die an diesem Tag aber zahlreich aufgenommen wurden.
Meine deutsche Staatsbürgerschaft habe ich dadurch allerdings nicht verloren: Die doppelte Staatsbürgerschaft ist für Deutsche erlaubt. Dasselbe gilt erst seit kurzem z.B. auch für Dänen, während etwa Chinesen ihren alten Pass automatisch verlieren. Die unterschiedlichen Regelungen der Heimatländer, die persönlichen Gründe und die Wege zur schwedischen Staatsbürgerschaft zeigen sich bei dieser Zeremonie so vielfältig wie die Gesichter der Menschen.
Auf der Bühne gab es ein zauberhaftes Musikprogramm mit Spielleuten, Kinderchor und einer Soul-Sängerin. Die Volkstanz-Gilde war da und forderte zum traditionellen Reihen- und Rundtanz auf. Wobei sich die Anwesenden schon mal in Tänzen üben konnten, die zu Mittsommer wieder aktuell werden. Ich selber schwelgte in der harmonischen, sonnigen Stimmung, die anscheinend auch auf die Redner ansteckend wirkte. Eine Vertreterin der Stadtverwaltung – selbst Einwanderin – berichtete von ihren Erfahrungen und lobte das schwedische Modell aus freiheitlicher Demokratie und Wohlfahrtsstaat, der für alle da ist, wenn man ihn einmal braucht.
Und was hat es mit den Coupons auf sich?
Die anwesenden Schweden, meine Familie, interessierte sich vor allem für den Coupon, den ich und jeder Neubürger erhalten hatte. Hierfür – so ging das Gerücht – sollte es tolle Geschenke von der Stadt und anderen Sponsoren geben! Und tatsächlich: Außer Kaffee, Kuchen, Frucht und Marmelade von örtlichen Herstellern gab es Gutscheine satt! Aber nicht etwa für den Elektronikmarkt oder Klamottenläden… Nein, – vielmehr kulturelles Gut in Form von Eintrittskarten für Theater, Konzert und Museum! Meine Familie freut sich schon jetzt auf die Einladung zu Madame Butterfly in der Oper oder einen Tag im Freizeitpark Liseberg!
Feierlicher Höhepunkt der Zeremonie war das Aufstellen des Maibaums, den zuvor alle miteinander begrünt und geschmückt hatten. Gänsehaut-Stimmung kam auf durch den “Kulning-Gesang”, der den festlichen Moment begleitete. Dann wurde die Nationalhymne gesungen, nicht zu laut, aber auch nicht zu leise. Den Text hatten wir Neubürger vorsichtshalber auf Spickzetteln erhalten…
Der Nationaltag ist in Schweden wirklich eine entspannte Veranstaltung, und wer an einem 6. Juni mal in Schweden weilt, sollte sich wirklich zu den öffentlichen Plätzen einer Gemeinde begeben und die Neubürger-Zeremonien verfolgen. Es lohnt sich – und es gibt “den Neuen” ein unvegessliches Willkommen für einen neuen Lebensabschnitt.
Autorin: Katja Singer – [email protected]
Kommentare
Eine Antwort zu „6. Juni – Tag der Schweden und der Neubürger“
Warum behalte ich meine alte Staatsangehörigkeit, wenn ich mich für einen anderen Staat entschieden habe?
Wenn ich einen neuen Partner (♂/♀) gefunden habe, behalte ich den alten ja auch nicht.
Im Normalfall.
“Eine Vertreterin der Stadtverwaltung… lobte das schwedische Modell aus freiheitlicher Demokratie und Wohlfahrtsstaat, der für alle da ist, wenn man ihn einmal braucht.”
Am besten ist aber, man braucht ihn nicht.
Jedenfalls nicht im Gesundheitswesen.