
Grabenkämpfe, Rücktritte und Ermittlungen im Nachgang der “Me-too”-Debatte erschüttern die altehrwürdige Kulturinstitution “Svenska akademien”. Medien und Kulturszene sehen die Schwedische Akademie zur Pflege der schwedischen Sprache und Literatur in ihren Grundfesten erschüttert, seit mehrere Mitglieder, darunter die ständige Sekretärin Sara Danius, kürzlich zurückgetreten sind.
Anlass der schweren Krise sind Belästigungsvorwürfe gegen den Ehemann von Katarina Frostenson, die ebenfalls ihren Sitz in der Akademie verlassen hat. Im Zuge der Ermittlungen wurde außerdem bekannt, dass der Ehemann die Namen von Nobelpreisträgern im voraus ausgeplaudert haben soll. Die schwedische Akademie als Jury und Kommitee für den Literatur-Nobelpreis hätte damit das Vertrauen in die Instutition schwer geschädigt.
Aus Anlass der Streitigkeiten fragen sich viele “Normalsterbliche”, ob die Akademie mit Wurzeln im 18. Jahrhundert überhaupt noch zeitgemäß ist. Fakt ist, dass die königliche Stiftung und ihre Mitglieder wichtige Kulturbotschafter Schwedens sind; Darum schaltete sich Anfang April auch König Carl Gustaf in die erhitzte Debatte ein. Als höchster Beschützer der Institution ist der Monarch laut Medienberichten geneigt, die Regeln der Akademie an heutige Verhältnisse anzupassen. Er forderte alle Beteiligten auf, ihre Verantwortung zu übernehmen, um den Konflikt baldigst zu lösen. Ein Neubeginn für die “svenska akademin” liegt in der Luft, aber wie dieser aussehen wird, ist noch offen.
Die Svenska Akademien und ihre Aufgaben
Die Schwedische Akademie wurde 1786 von König Gustav III. gestiftet. Ihre Aufgabe war von Beginn an die Pflege der schwedischen Sprache und Literatur “in ihrer Reinheit, Schönheit und Größe”. 18 Mitglieder auf Lebenszeit wirken in der Akademie, – ihr Wahlspruch ist: “snille och smak”, was soviel bedeutet wie “Geist und Geschmack”. Die “svenska akademien” arbeitet in verschiedenen Bereichen:
- Laut Alfred Nobels Testament wählt die Akademie jährlich den Literatur-Nobelpreisträger aus.
- Jährlich vergibt die Akademie eine Anzahl Stipendien an Autoren, Literaturwissenschaftler, Historiker, Sprachforscher, Übersetzer und Theaterprojekte.
- Die Akademie ist verantwortlich für die Nobel-Bibliothek in Stockholm.
- Man gibt außerdem verschiedene Wörterbücher und Rechtschreibregeln heraus. Zum Beispiel ein Wörterbuch mit Begriffen von anno 1521 bis heute (= SAOB Svenska Akademien ordbok), außerdem das schwedische Pendant zum “Duden” (= SAOL Svenska Akademien Ordlista) sowie ein modernes schwedisches Wörterbuch mit Schwerpunkt auf der Wortbedeutung (= SO Svenska Ordbok).
Kommentare
Eine Antwort zu „Schwedische Akademie in der Krise“
© Jürgen T. Honig, 18. April 2018
Es fehlt eine Kategorie Kultur
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Schweden bebt
Der GAU der Achtzehn
Lange schon hatten in der Svenska Akademien die Konflikte geschwelt. Dann, am 6. April, kam es
zum Eklat: Der Skandal wie Glut im Kraterherde nun mit Macht zum Durchbruch drang. Drei namhafte
Mitglieder, unter ihnen zwei ehemalige Ständige Sekretäre, sagten sich los von ihrer Mitarbeit in der
Schwedischen Akademie, die satzungsgemäß mit achtzehn auf Lebenszeit gewählten Mitgliedern
besetzt ist. Da waren’s nur noch dreizehn – nachdem zwei Mitglieder diesen Schritt schon vor
etlichen Jahren getan hatten. Der geheiligten, vor 232 Jahren nach dem Vorbild der Académie
française geschaffenen Institution obliegt die Bewahrung und Pflege der schwedischen Sprache.
Und seit der erstmaligen Verleihung des Nobelpreises 1901 auch die Verleihung dieser
Auszeichnungen in Literatur. Das macht sie zu einer wesentlichen Trägerin ihres wie überhaupt ganz
Schwedens Ansehen in der Welt.
Eine Woche später, am 13.April, dann der nächste Schock. Die bisherige Ständige Sekretärin
Sara Danius (Stuhl 7) tritt zurück und mit ihr die herausgehobene Lyrikerin Katarina Frostenson
(Stuhl 18). Da waren’s nur noch elf. Die Akademie, die für Abstimmungen die Zwei-Drittel-Mehrheit
braucht, war nicht mehr beschlussfähig.
Wie konnte es so weit kommen?
So richtig angefangen hatte es letzten Herbst. Losgetreten im Oktober, war die #MeToo-
Bewegung wie eine Springflut über die Welt geschwappt. Besonders auffällig ging es in Schweden zu.
Tausende von Frauen, von den wenigen unvermeidlichen Trittbrettfahrern mal abgesehen, machten
in mehreren Dutzend Hashtag-Aufrufen publik, was ihnen an Gewalt und Kränkungen durch Männer
widerfahren war. Nebenher, aber ermutigt durch die Resonanz, die MeToo verursachte, meldete sich
bei einer der großen Tageszeitung des Landes, den Dagens Nyheter, eine Frau zu Wort, um von ihren
Erfahrungen bei der privaten Kulturscenen Forum zu berichten. In diesem nach außen hin höchst
reputierlichen Musentempel muss sich, nicht nur für die Betroffenen, Haarsträubendes zugetragen
haben. Nicht jedoch für die Protegés. An die Öffentlichkeit gedrungen war bis dahin, abgesehen
von etwas Gemunkel, nie etwas. Es herrschte das Gesetz des Schweigens.
Dies suchte jetzt die Zeitung mit investigativer Recherche zu durchbrechen. Die übrigen
Medien, auch im Ausland – selbst der deutsche PEN ließ sich vernehmen –, griffen nach anfänglichem
Zögern das Topthema auf. Doch was sie bislang ans Licht brachten, ist für den nicht Eingeweihten
kaum durchschaubar.
Fest steht: Initiator und Leiter des Forum ist der aus Frankreich stammende Jean Claude
Arnault, ein überaus charismatischer, und bei jenen, die es nicht besser wussten, hoch geschätzter
Diener anspruchsvoller Kultur. Bekannt wurde er in Schweden unter dem nach Freunderlwirtschaft
klingenden Namen kulturprofilen (etwa: Kulturpromi). Auf der Forum-Bühne fanden Aufführungen
und Dichterlesungen statt, hinter den Kulissen sprang er mit weiblichen Gästen und Mitarbeitern
aufs Gröblichste um (Dieter Wedel lässt grüßen). Es werden ihm sexuelle Nötigung, unsaubere
Verwendung von Fördergeldern, unerwünschte Einflussnahme, wiederholte vorzeitige Enthüllung
von Preisträgernamen vorgeworfen. Ob das alles justiziabel ist, untersucht eine Anwaltskanzlei. Es
gibt auch Stimmen, die versuchen, die Akademie-Misshelligkeiten doch sehr weit hergeholt zu einer
Genderfrage hochzujazzen. Wenn man so will: Ganz von der Hand zu weisen ist das nicht.
Verheiratet ist der kulturbeflissene Arnault mit der Akademie-Angehörigen Frostenson. Das ist
der springende Punkt. So wurde in der medialen Wahrnehmung der Skandal des Forum, hokus-
pokus, zum Skandal der Akademie. Dezimiert, führungslos, im Ansehen schwer beschädigt, steht sie
vor einem Scherbenhaufen. Ihr Wahlspruch Snille och smak (Geist und Geschmack) ist besudelt. Das
Mitglied Anders Olsson hat kommissarisch das Amt des Ständigen Vorsitzenden übernommen. Beim
Forum ist der Vorhang vorerst gefallen.
Wie es weitergeht? Das steht derzeit völlig in den Sternen.
Jürgen T. Honig