In Deutschland gilt Schweden als das Vorzeigeland, wenn es um Kindergarten und Kinderbetreuung geht. Aber wie genau sieht diese Umsorgung der Jüngsten aus?
Die schwedische „dagis“ richtet sich an Kinder von 1-5 Jahren und zeichnet sich durch Intensivbetreuung und hohe pädagogische Qualität aus. Die Kinder werden in Gruppen, die durchschnittlich knapp 17 Kinder umfassen, von drei bis vier Lehrern betreut (auf 5 Kinder kommt 1 Lehrer.) Die Kindergärtner/innen haben eine akademische Laufbahn hinter sich und haben zumeist Lehramt mit Schwerpunkt auf Kindergartenpädagogik studiert. Zu der von der Politik sehr geförderten pädagogischen Qualität gehört die Gleichbehandlung der Geschlechter (als banales Beispiel sei hier genannt, dass auch Jungen rosa Trinkbecher bekommen und Mädchen auch mit Autos spielen sollen), das Unterstützen von Kulturpluralität in den einzelnen Gruppen, das Bemühen, mehr männliche Mitarbeiter zu gewinnen und schließlich auch die Förderung von Migrantenkindern. Es werden verstärkt Kindergärtner/innen gesucht, die selbst Schwedisch nicht als Muttersprache haben, bzw. eine andere Sprache fließend beherrschen, da Kinder mit Migrationshintergrund im Kindergarten nicht nur die schwedische Sprache besser (oder überhaupt) lernen sollen, sondern auch ihre Muttersprache gefördert werden soll.
Weiterhin gibt es Kindergärten, die ein besondere Pädagogik verfolgen, wie Waldorf oder Montessori, oder die sich auf Musikförderung oder Naturverbundenheit spezialisiert haben.
Im Unterschied zu anderen EU-Ländern wurde in Schweden früh in die Kindergärten und deren Entwicklung investiert, das System entwickelt und ausgeweitet.
Die ersten kindergartenähnlichen Gruppen gab es bereits 1850, damals allerdings hauptsächlich für Kinder alleinerziehender und besonders armer Mütter. Die Kinder wurden dort von 7 bis 19 Uhr, gegebenenfalls sogar auch nachts betreut. Im Laufe der Weltkriege wurden die Gruppen auch zugänglich für alle anderen Kinder; man wollte von dem Image wegkommen, Kindergarten sei nur etwas für arme Kinder. So wurde nach dem zweiten Weltkrieg, besonders aber ab den 1970er Jahren, als es zur Norm wurde, dass sowohl Vater als auch Mutter arbeiteten, das System des Kindergartens immer wieder neu überdacht und die Pädagogik ausgeweitet und verfeinert.
Nachdem die Kindergärten anfangs für alle Kinder kostenlos waren, der Anspruch auf Qualität aber immer weiter wuchs, mündete es zwischenzeitlich darin, dass der Platz in der „dagis“ doch bezahlt werden musste, was wiederum den armen Familien einen Platz für ihre Kinder unmöglich werden lies.
Mittlerweile ist der Grundsatz aber (wieder): Arbeit und Familie muss miteinander vereinbar sein!
Der Besuch des Kindergartens ist für die Schweden heute selbstverständlich, beinahe 90% der Kinder haben einen Platz, was unter anderem auch daran liegt, dass alle Kinder ein Recht auf einen Platz haben und die Kommunen, von denen die Kindergärten betrieben werden, verpflichtet sind, innerhalb von 4 Monaten einen Kindergartenplatz zur Verfügung zu stellen.
Alle Kinder, die also einen Platz brauchen, können ihn auch auf jeden Fall kriegen.
In den Kindergärten werden die Kinder von 7 bis 17, teilweise sogar 18 Uhr bei Vollverpflegung betreut. In einigen Kommunen ist es sogar so, dass die Kommune die Öffnungszeiten der Kindergärten den Arbeitszeiten der Eltern anpassen muss.
Allerdings besteht das Recht auf die uneingeschränkte Nutzung nur für Kinder deren Eltern beide voll berufstätig oder arbeitslos sind. Für Kinder, deren Eltern zuhause sind, ist die Zeit, die die Kinder im Kindergarten verbringen dürfen, auf 15 Stunden in der Woche begrenzt.
Kinder, deren Eltern allerdings mit einem jüngeren Geschwisterkind zuhause im Erziehungsurlaub sind, genießen uneingeschränktes Nutzungsrecht.
2002 wurde ein Höchstbetrag gesetzlich festgelegt, den die Eltern für den Kindergarten bezahlen müssen, sodass keinem Kind aus finanziellen Gründen der Besuch des Kindergartens verwehrt bleibt.
Die Kosten für die Betreuung eines Kindes im Kindergarten betrugen 2006 105.000 SEK (ungefähr 10.500 Euro.) Für 8% müssen die Eltern aufkommen.
Die Maximumkosten für die Kinder zwischen 1 und 5 Jahren sehen wie folgt aus: Für das erste Kind zahlen die Eltern 3% des Einkommens, maximal allerdings 1260 SEK (126 Euro) im Monat. Für das zweite Kind werden 2% des elterlichen Einkommens, maximal jedoch 840 SEK (84 Euro) beansprucht, für das dritte Kind 1% maximal aber 420 SEK (42 Euro) Das vierte und jede weitere Kind zahlt keine Beiträge mehr.
Die Vorschule, die die Kinder mit fünf Jahren besuchen dürfen, ist für alle Kinder kostenlos.
Die Betreuung der Kinder hört nach dem Kindergarten allerdings nicht auf. Kindern von 6-12 Jahren wird eine Betreuung vor und nach der Schule garantiert. Diese spielt sich entweder in Familienzentren, Freizeitzentren oder direkt bei Angeboten der jeweiligen Schule ab.
Der Erziehungsurlaub ist in Schweden, ebenso wie in Deutschland, bezahlt. Dieser wird 480 Tage lang gewährt, wobei 60 Tage exklusiv für den Erziehungsurlaub des Vaters bestimmt sind. 390 Tage wird der Erziehungsurlaub mit 80% des Einkommens bezahlt. 90 weitere Tage werden pro Tag 180 SEK (18 Euro) gezahlt.
Muss sich ein Elternteil um ein krankes Kind kümmern, werden ebenfalls 120 Tage lang 80% des Einkommens weiter gezahlt.
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