Freilichtmuseum Berget
Unweit des Sees ”Möckeln” liegt die Gemeinde Degerfors. Die rund 10.000 Einwohner der Gemeinde verteilen sich auf den Hauptort gleichen Namens sowie auf die Teilorte Svartå und Atorp. Wir verlassen die E18 von Stockholm nach Oslo nahe Karlskoga und fahren einige Kilometer Richtung Süden. Da in Schweden alles etwas weitläufiger und geräumiger ist als im dicht besiedelten Deutschland passieren wir das Ortsschild der Kommune bereits einige Kilometer bevor die ersten Häuser zu sehen sind. Fast könnte man meinen Degerfors bestünde nur aus Wald, Wald und nochmals Wald.
Unseren Spaziergang durch die Gemeinde Degerfors beginnen wir am zentralen Punkt Medborgarplatsen mit dem angrenzenden Rathaus, der neuen Stadtbibliothek und den vielen kleineren Ladengeschäften. Wenige hundert Meter von diesem Platz entfernt finden wir, mit ihrer schlichten und einfachen, aber sehenswerten Innenausstattung, die protestantische Kirche zu Degerfors. Wie öfters bei Kirchen üblich, ist auch der Degerforser Sakralbau von einem Friedhof umgeben. Auf den ersten Blick sieht dieser aus wie ein riesengroßer Stadtpark mit riesigen, alten Laub- und Nadelbäumen, der sich harmonisch in die leicht hügelige Landschaft einfügt. Flanieren wir ein wenig durch diese geräumige Friedhofsanlage, so fallen uns beim genaueren Hinsehen die einfachen Gräber auf. Wer hier nach pompösen Ruhestätten sucht, wird nichts dergleichen vorfinden. Ein kleines Holzkreuz oder Grabstein, vielleicht noch ein Blumenstrauß, das war es dann auch schon.
Wir verlassen den Friedhof in Richtung Süden und überqueren auf einer modernen Stahlbetonbrücke den Fluss Letälven. Unmittelbar danach sehen wir eine alte ausgediente Kastenbrücke, die den Eingang zum größten Arbeitgeber von Degerfors überspannt – dem Stahlwerk. Eine große Wirtschaftskrise hätte fast das Aus bedeutet, doch ein finnischer Großkonzern kaufte das Degerforser Werk. Nach Umstrukturierungsmaßnahmen und verringerter Belegschaft sieht man jetzt wieder zuversichtlich in die Zukunft. Der Bau der über einen Kilometer langen Stonecutters Bridge in Hongkong brachte dem Degerforser Werk einen Großauftrag über die Lieferung des Stahls für diese meisterliche asiatische Ingenieursleistung.
Auf dem Gelände des Stahlwerkes befindet sich zudem eine alte und stillgelegte Halle, die – renoviert – nun für Veranstaltungen aller Art zur Verfügung steht. Es ist das sogenannte Valsverket. Der Unterhaltungssuchende kann sich heute nur noch schwer vorstellen, unter welchen Bedingungen hier noch bis vor wenigen Jahren hart gearbeitet wurde. Vornehmlich an Feiertagen und Wochenenden finden die Veranstaltungen im Valsverket statt, so dass man vom benachbarten geschäftigen Treiben des Stahlwerkes nichts mitbekommt. Wir jedoch haben genug vom Industrielärm und dem Geruch glühenden und heißen Stahls und begeben uns ins benachbarte Berget, einer alten Arbeitersiedlung aus der Gründerzeit des Stahlwerkes, welche heute als Freilichtmuseum dem Besucher das Leben in früheren Tagen veranschaulichen will.
Angelegt wurde die Siedlung bereits im 19. Jahrhundert; aus dem einfachen Grund, damit die Arbeiter in unmittelbarer Nähe zu ihrer Arbeitsstätte wohnen und leben konnten. Heute finden wir in Berget eine liebevoll restaurierte alte Dorfschmiede, ein gemütliches Kaffeehaus sowie eine Backstube, wo – besonders in der Vorweihnachtszeit – fleißige Frauen in einem historischen Holzofen Tünnbröd backen. Auf der Freilichtbühne gleich neben der Backstube finden in den Sommermonaten regelmäßig Platzkonzerte statt. Am schwedischen Nationalfeiertag wird hier ausgiebig gesungen, getanzt, gelacht und musiziert. Auch die Kleinsten unter den Besuchern des Freilichtmuseums kommen auf ihre Kosten: im Lilla Svingelskogen tauchen sie ein in die Welt der Trolle und Elfen, und im angrenzenden Tierpark warten Hasen, Ziegen und Schweine auf die Streicheleinheiten der Kinder.
Wem bis hierher die Füße noch nicht wehtun, dem sei eine Wanderung durch das Naturreservat Sveafallen empfohlen.
Auf einsamen Pfaden und über mit Flechten überwucherten Steinformationen wandern wir durch ein herrliches Naturschutzgebiet am Stadtrand von Degerfors. Sveafallen ist ein altes Flusstal und bildete in prähistorischer Zeit die Wasserscheide zwischen der damaligen Ostsee und dem Kattegatt. Heute jedoch ist von dem Fluss nichts mehr zu sehen. Das ehemalige Flussbett ist ausgetrocknet und mit Bäumen und Sträuchern zugewachsen. Lediglich Felsklippen deuten den Verlauf des ehemaligen Flussufers.
Zum Abschluss unseres Spazierganges begeben wir uns vom südlichen Degerfors einmal quer durch die Stadt und erreichen am nördlichen Ortseingang einen großen Kreisverkehr in dessen Mitte ein überlebensgroßer Fußball thront. Er steht für das andere Wahrzeichen von Degerfors. Was zum Beispiel dem Stuttgarter die „Mercedes-Benz-Arena“ oder dem Münchener die „Allianz-Arena“, ist dem Degerforser sein „Stora Valla“. Das Stadion ist die Spiel- und Trainingsstätte des hiesigen Fußball Klubs DegerforsIF, der seit einigen Jahren schon in der zweit höchsten schwedischen Liga – der Superettan – spielt. Ob das wohl an der hervorragenden Ausbildung des hiesigen Sportinternats Letälvskolan liegt, dem zahlreiche Spieler des DegerforsIF entstammen? Wir konnten das Geheimnis für hochkarätigen Degerforser Fußball in der kürze der Zeit jedenfalls nicht lüften.