Die schwedische Bibliothekslandschaft

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Manch ein deutscher Schwedenreisender wird sich beim zufälligen Betreten einer schwedischen Kleinstadtbibliothek verwundert die Augen reiben: Ob in Sala oder Sölvesborg, Visby auf Gotland oder Mariehamn auf den Ålandinseln: Es findet sich kaum ein Ort, in dem es keine „stadsbibliotek“ oder „kommunbibliotek“ gibt.

In den genannten Fällen residieren diese sogar in schicken Gebäuden mit guter Ausstattung. In der Tat: Spätestens seit den 1970er-Jahren gelten die Bibliotheken der nordischen Länder bei uns als Vorbilder. Ihre Vorreiterrolle haben sie auf den Feldern Kundenorientierung, Entwicklung virtueller Informationsstrukturen und Vermittlung von Informationskompetenz in den letzten Jahren weiter ausgebaut. Vielerorts etablieren sich die Bibliotheken als Bildungspartner der Schulen und finden ihre neue Rolle in der Informationsgesellschaft als Lehr- und Lernzentren wie z.B. das „lärcentrum Sölvesborg“. Diese Funktion wird besonders in den dünn besiedelten Gegenden des Landes gefördert, in denen keine Universität oder Hochschule in der Nähe ist: Die Studierenden lernen per Fernstudium und E-Learning und werden vom Fachpersonal der örtlichen Bibliothek dabei unterstützt.

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Schweden hat ein eigenes Bibliotheksgesetz

All das zeigt den großen Stellenwert der Institution Bibliothek in der schwedischen Gesellschaft. Anders als in Deutschland gibt es in Schweden seit 1996 sogar ein eigenes Bibliotheksgesetz (bibliotekslag). Dieses legt unter anderem fest, dass es in jeder „kommun“, also der kleinsten Verwaltungseinheit, eine Bibliothek geben muss, und sichert so die Existenz insbesondere der kleineren Öffentlichen Bibliotheken. Weiter legt das Gesetz fest, dass der Zugang der Bürger zu Information und Literatur kostenlos ist – Gebühren, wie sie in vielen deutschen Stadtbibliotheken Einzug gehalten haben, gibt es daher in Schweden nicht.

Bibliotheken in Schulen, Krankenhäusern, Gefängnissen

Zum Bibliothekssystem gehören neben den Stadtbüchereien die übergeordneten „länsbibliotek“ sowie, vor allem in dünn besiedelten Landstrichen, die Bücherbusse. Großen Wert gelegt wird in Schweden auch auf die soziale und integrative gesellschaftliche Rolle der Öffentlichen Bibliotheken. Daher sind Schulbibliotheken, Gefängnisbibliotheken und (von professionellem Personal geführte) Patientenbibliotheken in Krankenhäusern sehr viel verbreiteter als bei uns. Im lappländischen Jokkmokk gibt es sogar zwei Minderheitenbibliotheken, in denen samischsprachige Medien sowie Literatur von und über die Samen gesammelt wird: Die Bibliothek des schwedischen Berg- und Samenmuseums Àjtte und die „Samernas bibliotek“.

Malmö Stadsbibliotek

Licht als architektonischer Mittelpunkt

Zurück in die Hauptstadt: In architektonischer Hinsicht einen Besuch wert ist die von Gunnar Asplund erbaute und 1928 eingeweihte Stockholmer Stadtbibliothek: Ihr Herzstück bildet die große Rotunde in der Mitte des Gebäudes, die den Lesesaal beherbergt. Aktuell läuft ein Architekturwettbewerb für den notwendig gewordenen Erweiterungsbau. „Helligkeit“ ist das Stichwort für die neuere skandinavische Bibliotheksarchitektur: Sie zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass das im Norden besonders kostbare Tageslicht optimal genutzt wird: Durch viel Glas, helle Farben und hohe Räume entsteht eine freundliche, luftige Atmosphäre. Beispiele für diese Form der Bibliotheksarchitektur sind in Malmö, Halmstad oder bei der Bibliothek der Königlich-Technischen Hochschule Stockholm zu finden.

Als Tourist in die Bibliothek?

Oft lohnt es sich, die Architektur nicht nur von außen zu betrachten, sondern die ein oder andere Bibliothek auch zu betreten – gerade unter rein praktischen Gesichtspunkten: Der ratlose deutsche Tourist in einer fremden schwedischen Stadt findet hier die Möglichkeit zum Abrufen seiner E-Mails, eine Toilette, Tageszeitungen und in der Regel eine freundliche Auskunft zu lokalen Veranstaltungen und Sehenswürdigkeiten, mancherorts sogar ergänzt durch einen kostenlosen Stadtplan.

Königliche Bibliothek Stockholm

Die Königliche Bibliothek

Neben den beschriebenen Öffentlichen Bibliotheken gibt es, wie in Deutschland, auch die Wissenschaftlichen Bibliotheken. Dazu zählen Universitäts- Hochschul- und Spezialbibliotheken. Und natürlich die Königliche Bibliothek in Stockholm, die die Funktion der Nationalbibliothek innehat und mit ihren Sondersammlungen und Archiven zahlreiche Forscher aus dem In- und Ausland anzieht. Im Sommer bietet sich auf der Wiese vor dem Haupteingang des historischen Gebäudes das Bild lesender Studenten. Aber auch Nicht-Wissenschaftlern hat die Kungliga Biblioteket mit ihrer Lage im Park „Humlegården“, dem Restaurant „Sumlen“ und den wechselnden  Publikumsausstellungen (2007 z.B. „Astrid Lindgren als Meinungsbildnerin“) einiges zu bieten.

Universitätsbibliothek Uppsala

Silberbibel und Carta Marina

Eine schöne Lage im Park haben auch beiden ältesten Universitätsbibliotheken Schwedens in Lund und Uppsala. Insbesondere die „Carolina Rediviva“, so der Name der Universitätsbibliothek Uppsala, ist für den kulturell interessierten Besucher der Universitätsstadt ein Muss. Im Ausstellungssaal werden zahlreiche Kostbarkeiten aus den historischen Beständen der Bibliothek gezeigt. Eine der bekanntesten Handschriften der Welt ist die Silberbibel („Codex Argentus“), die während des 30-jährigen Krieges von den Schweden in Prag erbeutet wurde und die von Olaus Magnus gezeichnete „Carta Marina aus dem Jahr 1539. Noch bis Mai 2008 ist außerdem eine Ausstellung zum 300. Geburtstag des berühmten Botanikers Carl von Linné zu sehen.

Wissenschaftliche Bibliotheken im Umbruch

In den älteren Wissenschaftlichen Bibliotheken mag sich der ein oder andere zufällige Besucher wundern, dass auf den ersten Blick nur wenige Bücher zu sehen sind. Der größte Teil des Bestandes befindet sich in unterirdischen Buchmagazinen. Wie auch in Deutschland, geht der Trend jedoch seit Ende des 20. Jahrhunderts dahin, alle Bücher für den Leser frei zugänglich aufzustellen. Zum Teil geschieht das in den einzelnen Fachbibliotheken auf dem Campus, die im Zuge einer solchen Umstrukturierung aufgewertet werden, wie z.B. in Lund. Vorreiter dieser Entwicklung war in den 1990er-Jahren die Universitätsbibliothek Linköping, die damals das Bibliotheksmodell von Linköping („Linköpingsmodellen“) entwickelte. Ein Schritt der Annäherung zwischen Öffentlichen und Wissenschaftlichen Bibliotheken ist das gemeinsame landesweite Suchportal für Bücher und anderen Medien ‘biblioteken.se’, das eine Suche nach allen Medien gleichzeitig ermöglicht und so Synergieeffekte schafft.

(Autor: Heike Wienholz)

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