Menschen wie Harald Edelstam findet man in der Geschichte nur sehr, sehr selten. Wallenberg und Schindler sind Namen, die einem einfallen, die Liste ist kurz. Eigentlich sollten Edelstams Taten auf dem Lehrplan jeder Schule stehen. Dies gerade in Zeiten, in denen Mut und Zivilcourage außer Mode gekommen sind, besonders im politischen Umfeld.
Doch wer war dieser besondere Mensch eigentlich?
Gustaf Harald Edelstam wurde 1913 in Stockholm geboren und starb 1989 an einem Krebsleiden. Er war schwedischer Diplomat in verschiedenen Ländern dieser Erde. Bekannt wurde er durch seine unkonventionelle und furchtlose Art, mit der er unzähligen Oppositionellen und Flüchtigen in und aus diktatorischen Staaten, das Leben rettete.
Edelstam stammte aus einer adligen Familie, was ihm sicherlich den Weg in eine diplomatische Karriere erleichterte. Nach dem ersten juristischen Staatsexamen trat er direkt in die Dienste des schwedischen Außenministeriums ein und nahm seinen ersten Posten in Rom an. Im zweiten Weltkrieg arbeitete er in Berlin und später in Oslo. Norwegen war damals von den Nazis besetzt und Edelstam unterstützte als Bindeglied zwischen Deutschland und Norwegen die norwegische Widerstandsbewegung. Er verhalf vielen Juden und anderen Oppositionellen zur Flucht. Aus jener Zeit stammt sein Name „die schwarze Nelke“. Nach einigen Jahren als Sekretär im Außenministerium wurde er dort Abteilungsleiter und ging 1958 als Botschafter nach Wien. Ende der 60er war er in Guatemala und fiel durch seine offene Sympathie für die Menschenrechtsorganisationen auf.
In den frühen 70ern wechselte er als Botschafter nach Santiago de Chile. Als 1973 das Militär unter General Augusto Pinochet putschte und das Land mit grauenhafter Diktatur, Folter und Verfolgung aller Oppositionellen überzog, hielt er seinen Posten. Er war anders, war unbequem, denn obwohl Diplomat, hielt er mit seiner Meinung nicht zurück. Er stand auf der Seite des demokratisch gewählten sozialistischen Präsidenten Salvador Allende. Als Allende vom Militär gestürzt wurde, standen nicht nur Allende-Sympathisanten aus Chile, sondern auch andere Südamerikaner auf der Hetzliste Pinochets. Edelstam rettete unzählige Menschen aus den Foltergefängnissen, gab Flüchtigen Unterschlupf, sorgte für Asyl in Schweden und garantierte sicheres Geleit.
Eine seiner mutigsten und spektakulärsten Einsätze zeigte er, als chilenische Panzer die kubanische Botschaft attackierten. Die sich darin befindenden Menschen hatten trotz verzweifelten Widerstands keine Chance. Edelstam konnte das nicht mit ansehen. Er schnappte sich eine schwedische Flagge und seinen Diplomatenpass, hielt beides in die Höhe und stellte sich entschlossen vor die Panzer. Diese mussten daraufhin das Feuer einstellen. Kurzerhand erklärte er, die kubanische Botschaft stehe ab sofort unter schwedischem Schutz. Die Kubaner durften sicher ihre Botschaft verlassen, wurden in die schwedische Botschaft gebracht und konnten von dort Chile in Richtung kubanischer Heimat verlassen.
Dass Edelstam mit dieser Aktion den neuen Herrschern in Chile ein Dorn im Auge war, ist klar. Er lies sich nicht den Mund verbieten und prangerte vor internationalen Journalisten die Menschenrechtsverletzungen an. Nach einigen Streitigkeiten wurde Edelstam ausgewiesen und kehrte zurück in seine Heimat. Den Schweden war dies ganz recht, denn sein Verhalten entsprach in keinster Weise den diplomatischen Gepflogenheiten und man wäre gezwungen gewesen, ihn zurückzurufen.
Fidel Castro würdigte das Engagement Edelstams, was wiederum den USA missfiel und auch in Schweden für kontroverse Diskussionen sorgte. Edelstam galt allerdings fortan als leuchtendes Beispiel der schwedischen Linken.
Seit 2009 gibt es eine Harald-Edelstam-Stiftung mit Sitz in Stockholm, die ein diesem Jahr erstmalig den Edelstam-Preis für besondere Verdienste im Bereich der Menschenrechte vergab. Er ging an die Iranerin Bahareh Hedayat, die der Preisverleihung aber persönlich nicht beiwohnen konnte.
Wer mehr über Edelstams Einsatz erfahren möchte, dem sei der Film „Svarta nejlikan“ (die schwarze Nelke bzw. the black pimpernel) ans Herz gelegt. In der Hauptrolle ist, wie könnte es anders sein, ein brillanter Michael Nyqvist zu sehen. Mehr siehe Filmkritik in der Schwedenstube:
Autor(in): Annette – [email protected]