Schwarze Löcher erwartet man normalerweise in den unendlichen Weiten des Weltraums. Es gibt sie aber auch in den unendlichen Weiten Lapplands. Nur sind sie dort von Menschen gemacht. In diesem Beitrag geht es um die Kupfermine Boliden-Aitik, etwa 16 Kilometer von Gällivare in Norrbotten entfernt. Gällivare nennt sich selbst auch „The Mining Capital“ (Die Minen-Hauptstadt). Denn außer der Aitik-Mine gibt es dort auch noch eine Eisenerz-Mine der LKAB. In der Aitik-Mine wird Kupfer im Tagebau gefördert, womit schon einmal erklärt ist, warum es sich um ein Loch handelt.
Ich weiß, ihr erwartet von mir, dass ich die Schönheiten und Eigenarten der schwedischen Landschaften, hier Lappland, in höchsten Tönen preise. Und euch auch natürlich den einen oder anderen Tipp für einen tollen Ausflug oder zu einer Sehenswürdigkeit gebe. Heute muss ich euch aber darauf hinweisen, dass es mir in diesem Beitrag etwas schwer fällt, dies zu tun. Außer dem kann dieser Beitrag Spuren von Sarkasmus aufweisen. Ihr werdet sie erkennen.
Besichtigung erwünscht!
Trotz dem habe ich hier schon einmal den ersten Tipp für euch: Man kann die Aitik-Mine besichtigen. Und das solltet ihr auch tun. Insbesondere diejenigen unter euch, die auf große Maschinen und PS-starke „Boliden“ stehen. Denn davon gibt es in der Mine eine ganze Menge. Gigantismus spielt in der Aitik ohnehin eine große Rolle. Damit ihr aber wisst, worüber ich eigentlich schreibe, habe ich hier einen Screenshot von GoogleMaps für euch, den ich etwas aufbereitet habe. Jeder, der schon einmal versucht hat, nach GoogleMaps zu navigieren, weiß auch, dass die Bilder nicht immer aktuell sind. So leider auch hier.
Ein Überblick
Ihr erkennt auf dem Bild einen See, türkisfarben. Dieser See hat in seinem größten Ausmaß etwa 800 Meter Durchmesser. Gleich darüber erkennt ihr ein von mir hinzugefügtes Vieleck in Gelb. Zusammen mit dem türkisfarbenen See sind dies die derzeitigen Ausmaße des Sees. Der See ist etwa 80 Meter tief. Ich komme später noch einmal darauf zurück. Oben links auf diesem Bild, gelb unterstrichen, liegt Malmberget, gleich darunter Gällivare. Rechts am Bildrand geht es über die E10 nach Luleá, am oberen Bildrand nach Kiruna, ebenfalls über die E10. Am linken Bildrand führt die E45 (Inlandsvägen) in Richtung Jokkmokk. Dies nur zur Verdeutlichung, wo auf einer Landkarte von Schweden wir uns befinden.
Bis zu 400 Meter tief
Aber zurück zur Aitik-Mine. Von der E10 kommend erreicht ihr die Einfahrt zur Mine über eine etwa einen Kilometer lange Straße. Dort ist auch das Besucherzentrum, von dem aus die Besichtigung der Mine startet. Euer Guide fährt mit euch zunächst auf den Boden eine der Gruben.
Dort ist erstaunlich wenig los, erwartet man doch ein geschäftiges Treiben in einer solchen Mine. Das liegt in diesem Fall daran, dass diese Grube nur noch wenig ertragreich ist. Nichts desto weniger wird hier immer noch geschürft. Das Geld jedoch wird in einer anderen Grube verdient, die etwa zwei Kilometer Luftlinie von dieser Grube entfernt auf der anderen Seite des Minengeländes liegt. Das Loch dort ist auch wesentlich tiefer, etwa 400 Meter Tiefe wird es erreichen…
Der Ausflug in die kleinere Grube dient auch eher dazu, um den Besuchern die Grösse der eingesetzten Maschinen vor Augen zu führen. Die Mulden der eingesetzten Trucks können bis zu 50 Tonnen Gestein transportieren. Und selten benötigt der Bagger, der die Mulde füllt, mehr als zwei Schaufelfüllungen dazu.
Müssen die Mulden zur Reparatur nach Gällivare transportiert werden oder werden neue angeliefert, muss die E10 gesperrt werden, da kein anderes Fahrzeug an den Transportern vorbeifahren könnte. Das habe ich selbst schon ein paar Mal erleben müssen. Wesentlich interessanter finde ich es jedoch, wenn einem auf der Straße ganze Häuser entgegen kommen, doch das ist eine andere Geschichte…
Weiterverarbeitung vor Ort
In der kleineren Grube werden natürlich immer noch Sprengungen durchgeführt. Zum Bohren der Sprenglöcher werden spezielle Bohrmaschinen eingesetzt, die die Sprenglöcher exakt auf die gewünschte Tiefe bringen und später auch die Sprengladungen einsetzen. Wenn es dann rummst, sollte man möglichst weit entfernt sein. Da die Sprengungen meistens im unteren Teil der Grube stattfinden, wandert der Schall durch die Grubenwände mehrfach hin und her. Was zur Folge hat, dass selbst etliche Minuten nach der Sprengung noch immer die Sprenggeräusche zu hören sind.
Die Trucks transportieren das Sprenggut zu einem Mahlwerk, dessen Schacht knapp 40 Meter hoch ist. Es gibt mehrere dieser Mahlwerke, die letztlich das Sprenggut, also die abgesprengten Felsen, auf die erforderliche Größe zerkleinern. Zwischen den einzelnen Mahlwerken wird das Material über lange Förderbänder transportiert.
Die eigentliche Gewinnung des Kupfers erfolgt in einem Bereich, der Besuchern nicht zugänglich ist. Dort befindet sich auch der Eingangs dieses Beitrages erwähnte See. Dieser See wird durch eine Staumauer von der Umgebung, die nicht mehr zur Mine gehört, abgetrennt. Im Jahr 2000 brach diese Staumauer und der Inhalt des Sees, der zu diesem Zeitpunkt glücklicherweise kleiner und nicht so tief war, wie er Heute ist, flutete die Umgebung.
Dammbruch im Jahr 2000
Daraufhin wurde Boliden, Eigentümer der Aitik-Mine, dazu verdonnert, dafür Sorge zu tragen, dass ein solches Ereignis nicht wieder eintreten kann und entsprechende Warneinrichtungen zu erstellen, falls doch noch mal etwas „schiefgehen“ sollte. Nach Angaben von Boliden wurde diesen Anweisungen auch Folge geleistet,
nicht ohne den See während dieser Arbeiten erheblich zu vergrößern und zu vertiefen. Wer mit offenen Augen zwischen Gällivare und der Aitik-Mine unterwegs ist, wird Türme ausmachen, die mit Signallautsprechern bestückt sind. Sie sollen die Bevölkerung im Falle eines erneuten Dammbruches warnen. Ich habe bisher drei solcher Türme ausmachen können.
Nun ist ein Abbau von Kupfer im Tagebau nur dann attraktiv, so lange die Förderung Gewinn abwirft. Auch wenn während der Führung darauf hingewiesen wird, dass man an der jetzigen Stelle noch etwa 30 Jahre lang fördern könnte, wird sich die Aitik-Mine in den nächsten Jahren erheblich vergrößern.
Die Vorarbeiten dazu haben bereits begonnen. Die schraffierte Fläche auf dem ersten Bild zeigt die geplante Erweiterung, zumindest einen Teil davon.
Ihr könnt unschwer erkennen, dass ein Teil der E10 in diesem Bereich liegt. Sie wird verlegt werden. Arbeiten dazu kann man bereits entlang der E10 in Richtung Kiruna beobachten. Eine derzeit noch relativ unbekannte Parallelstrasse zwischen der Baustelle und dem Dörfchen Dokkas wird sehr wahrscheinlich die neue Trasse der Straße werden.
Innerhalb des schraffierten Bereiches seht ihr auch den rot-gelben Stern. An dieser Stelle stehe ich häufiger mal für ein Wochenende
mit „The Beast“ und fische. Dort ist der Zusammenfluss des Vasaara-Älven und des Lina-Älven. In unmittelbarer Nähe steht einer der erwähnten Signaltürme. Diese Stelle wird es so in absehbarer Zeit nicht mehr geben. Im weiteren Verlauf des Lina-Älven, etwa 60 Kilometer flussabwärts, gibt es den Lina-Fallet, ein Touristen-Magnet. Welchen Einfluss die Erweiterung der Aitik auf den Fluss und den Wasserfall haben wird, lässt sich derzeit noch gar nicht abschätzen. Bislang war die Lina ein Geheimtipp für Kanuten und Kajakfahrer.
Unabsehbare Auswirkungen durch Erweiterung
Aber die Erweiterung hat schon „Grünes Licht“ aus Stockholm und Gällivare bekommen. Was dazu führte, dass dieses Vorhaben weit vor der geplanten Zeit bekannt wurde, „Gällivare-Leaks“ so zu sagen… Dies wiederum führte dazu, dass spekulativ Land aufgekauft wurde, von Leuten, die es sich leisten konnten. Denn Boliden muss das benötigte Land für die Erweiterung erst einmal erwerben. Große Teile des schraffierten Gebietes befinden sich aber schon in Boliden-Besitz.
Mich persönlich erstaunt es, dass offenbar Niemand diese Erweiterung infrage stellt. Abgesehen von einer einzigen Sami-Vereinigung. Da aber bei allen bisherigen Prozessen gegen staatliche oder private Minen die Sami noch nicht ein einziges Mal erfolgreich waren, ist das Ergebnis vorhersehbar. Insbesondere in Gällivare…
Nichts desto weniger: Schaut euch die Mine an, wenn ihr in der Gegend seid. Ein Besuch ist gut dazu geeignet, sich selber einen Eindruck zu verschaffen. Und wenn ihr noch etwas wartet, müsst ihr vielleicht gar nicht so weit in den Norden Lapplands fahren. Jokkmokk wird wohl auch auf längere Sicht nicht von einem „Schwarzen Loch“ verschont bleiben. Und in Lycksele im südlichen Lappland ist ebenfalls eine Mine in Planung. Dort hat der zuständige Bürgermeister bereits deutlich zu erkennen gegeben, dass ihn die Rechte der indigenen Bevölkerung nicht interessieren, „die werden sich anpassen müssen“. Diese Aussage kann man zum Glück mit einer auch im deutschen Fernsehen ausgestrahlten Dokumentation belegen.
Also kommt nach Lappland und geht in die unberührte Natur… So lange es sie noch gibt.
(Text & Fotos: Jörg Solheid/Go North-The Beast)