Schloss Tjolöholm an den Ufern des Kungsbacka Fjordes sieht aus wie ein Märchenschloss aus alten Zeiten. Doch für den Architektur-Kenner ist das Gebäude eher ein ziemlich “junger Spund”. In seiner jetzigen Form gerade mal 108 Jahre alt, ist Tjolöholm eines der jüngeren bemerkenswerten Baudenkmäler in Schweden. Zugleich zeigt es auf beeindruckende Weise den Einfluss reicher Bürger auf Stil und Design an der Schwelle zum 20. Jahrhundert. Die Schlossherren brachten “british taste” ins bäuerliche Halland.
Für James Fredrik Dickson und seine Frau Blanche sollte mit Tjolöholm ein Traum in Erfüllung gehen. James Fredrik war unter König Oscar II. Hofstallmeister, aber vor allem war er auch Sohn eines erfolgreichen Holzgroßhändlers. Die Familie betrieb seit langem Geschäfte mit England. Der jüngste Sproß ist daher nicht nur in England geboren, – er brachte auch allerlei Einflüsse von den britischen Inseln nach Schweden mit.
1892 begann er das Projekt Tjolöholm: James Fredrik Dickson erwarb den geschichtsträchtigen Grund auf der Halbinsel im Kungsbacka Fjord und ließ das bestehende Schloss-Gebäude kurzerhand abreißen. Der Entwurf für den Neubau im Tudor-Stil (mit dem Namen “Hobgoblin”) stammt aus einem groß angelegten Architekten-Wettbewerb. Die inneren Räume waren eigens für große gesellschaftliche Anlässe gestaltet worden: die große Haupthalle als Empfangs- und Ballsaal, ein “Billard- and Smoking-room” für die Herren, ein Teesalon für die Damen…
Doch leider kam es so, dass die Hausherrin Blanche meist allein durch die großen Hallen wandeln musste: Ihr Mann starb noch während der Bauphase von Tjolöholm Slott an einer Blutvergiftung.
Sie ließ sich dennoch nicht davon abbringen, auf Tjolöholm ihren Wohlstand – und vor allem guten englischen Geschmack – zu demonstrieren. Das Schloss- Interieur ist bis heute ein Exempel der “Arts-and-Craft”-Bewegung, bei der die Kunst ihren Weg ins Handwerk finden sollte. Vor allem Stoffe und Möbel entstanden auf diese Weise – in Handarbeit, als Gegenbewegung zur industriellen Massenproduktion. Der heutige Besucher kann in den Räumen des Schlosses außerdem romantische Jugendstil-Einflüsse bewundern.
Von der Romantik inspiriert ist auch das Arbeiter-Dorf rund einen Kilometer vom Schloss entfernt, dass Blanche Dickson für ihre zahlreichen Bediensteten bauen ließ. Rund um einen Hügel angelegt, mit Kirche und Dorfgemeinschaftshaus, war dies in der Vorstellung der Schlossherrin die Umsetzung einer “perfekten” Land-Gemeinde. Die Häuser hier sind übrigens nicht englisch, sondern typisch schwedisch: rot mit weißen Fensterläden.
Doch auch daran hat sich die Hausherrin nicht lange erfreuen können: Auf einer Schiffsreise 1906 erkrankte sie schwer und starb noch vor ihrer Rückkehr nach Schweden. Auch die nachfolgende Generation hatte mit dem Schloss kein Glück: Die Tochter der Dicksons lebte bis 1920 mit ihrem Mann und vier Söhnen hier, bevor sie sich scheiden ließ und nach Stockholm ging…
Infos über Öffnungszeiten und Veranstaltungen auf Schloss Tjolöholm findet man auf der Homepage: Tjolöholms slott Homepage
Autorin: Katja Singer – [email protected]