Smygehuk – 55 Grad, 20 Minuten nördliche Breite sagt das Schild im Hafen. 510 km bis Stockholm, nur 320 bis Berlin. Doch davor ist erst mal nur Wasser. Die Ostsee. Der Blick in die entgegengesetzte Richtung zeigt die Fischräucherei und ein paar Häuser – das Fischerdorf Smyge. Allerdings besagt ein Hinweis am Pier, dass dahinter über 1.500 km Schweden liegen. Smygehuk ist – je nachdem – der Anfang oder das Ende des Landes. Der südlichste Punkt Schwedens. Zugleich der südlichste Punkt der Skandinavischen Halbinsel.
Von Smygehuk lassen sich in regelmäßigen Abständen Fähren auf ihrem Weg von oder nach Trelleborg verfolgen. Im Gegensatz zu Smygehuk genießt Trelleborg – die südlichste Stadt Schwedens – ungleich größerer Bedeutung als Umschlagsplatz für Waren und Touristen. Von der Hafenstadt gut 10 km weiter östlich liegt mit Smygehamn Schwedens südlichster Ort, bis 1957 der südlichste Bahnhof. Von Smygehamn wiederum etwa einen Kilometer nach Westen ist endgültig das südliche Ende von Schweden erreicht. Oder der Anfang.
Abschied von den Wildgänsen
Smygehuk war der Ort, an dem es für Nils Holgersson Abschied von den Wildgänsen nehmen hieß. Er sah „die Schar in regelmäßiger, schöner Ordnung mit starken und kräftigen Flügelschlägen übers Meer“ davon ziehen. Ein kleines Denkmal für „Akka von Kebnekaise“ erinnert an diese Szene.
Am südlichsten Punkt Schwedens ist für die Vögel die letzte Möglichkeit zur Rast vor ihrem Zug übers Meer. Oder das erste Stück Land nach dem anstrengenden Flug über die Ostsee auf dem Weg nach Norden.
Smygehuk begrüßt mit einer „Umarmung“
Auch für manch Segler ist der Hafen von Smyge – sofern der Tiefgang zweit Meter nicht überschreitet – das erste Stück Schweden. Seeleute, wie auf dem Landweg durch Südschweden reisende Besucher – insgesamt sind mehr als 200.000 jeden Sommer – werden neben der Leitgans Akka einer anderen Dame gewahr. Dame trifft es vielleicht nicht ganz: Es ist die Statue einer nackten Frau, das Haar im Wind, die Seeluft einziehend. Eine Arbeit von Axel Ebbe aus dem Jahr 1930 mit dem Titel „Famntaget“. „Die Umarmung“.
Modell für die anmutige Erscheinung stand wohl Birgit Holmquist, Mutter des Modells Nena von Schlebrügge und Großmutter Uma Thurmans.
Darüber hinaus kommen Kunstinteressierte und Motivjäger bei ein paar Schritten in die Umgebung des Hafens auf ihre Kosten. Kunstwerke säumen das Ufer. Zudem bietet das Köpmansmagasinet aus dem frühen 19. Jahrhundert Kunst- und Kunsthandwerksausstellungen. Zudem sind in dem Gebäude, das während der Napoleonischen Kriege als Drehscheibe für Schmuggelware gedient haben soll, das Tourismusbüro und ein Café untergebracht. Auf dem Weg dorthin steht einer der größten und ältesten Kalköfen der Gegend. Ein Verweis auf die Kalkherstellungstradition im südlichsten Schweden, die ihre Spuren in der Landschaft hinterlassen hat.
Etwas weiter östlich des Hafens befindet sich die bronzezeitliche Grabanlage von Bålhög. Der Grabhügel hat einen Durchmesser von 27 Metern und eine Höhe von 2,5 Metern. Zeitweise war diese Erhöhung für das Anzünden von Leuchtfeuern Willkommen. Ab 1883 signalisierte Smygehuks fyr westlich vom südlichsten Punkt des Landes die nahe Küste, an der Strandungen keine Seltenheit waren.
Übernachten zu Füßen des Leuchtturms
1975 hatte der Leuchtturm von Smygehuk seine Schuldigkeit getan. Zunächst. Seit 2001 strahlt das 17 m hohe Bauwerk wieder auf die See vor Skåne hinaus. Zudem steht es nach Vereinbarung Besuchern offen. Oder dem ein oder anderen Hochzeitspaar.
Das Leuchtturmwärterhaus zu Füßen des Turms wurde zur Jugendherberge umgewandelt – zur südlichsten Jugendherberge des Königreichs.
Von Smygehuk aus sind es 1.581 km bis Treriksröset. Schwedens nördlichstem Punkt.
Autor: Mathias Grohmann – [email protected]