Per Olov Enquist wurde 1943 in einem kleinen Dorf – Hjoggböle – geboren und wuchs dort auf. So wie ein jeder durch seine Kindheit beeinflusst wird, geschieht dies auch bei Enquist sowie seinen Werken. Wie durch die große Einsamkeit, die er als Kind verspürt hatte. Oder dem Vater, einen Sozialdemokraten, und der Mutter als eine Anhängerin der Pfingstbewegung.
Letzterer widmet er den Roman “Lewis Reise” (Lewis resan), durch den ich zu Per Olov Enquist fand und der mich damals und noch bis heute auf subtile Weise begeistert hat. Er behandelt die Geschichte der schwedischen Pfingstbewegung mit ihren zwei grundliegend verschiedenen Anführern Lewi Pethrus und Sven Lidman.
Dabei erschafft er eine Stimmung innerhalb des Romans, der zwischen Fiktion und Biographie zu schweben scheint. Es ist seine Spezialität, mit seinen eigenen Erinnerungen und seiner eigenen Biographie, der Biographien großer Menschen wie Lewi Pethrus, aber auch Struensee, Franz Anton Mesmer etc. diesen Menschen neues Leben einzuhauchen. Man nimmt diese Menschen in anderem Licht wahr, da sie durch die fiktiven Stellen Enquists noch menschlicher wurden.
Hintergrund von allem ist ein eher melancholisches Weltbild, oft mit Menschen, die innerlich zerrüttet sind durch die Wahl zwischen einem frommen Leben innerhalb der Freikriche oder des Pietismus und der Sünde.
Auch Per Olov Enquist ist solch ein “Sünder”. Er wuchs damit auf, dass unter anderem Tanz, Dichten und Theater Sünden seien. Dennoch ging er diesen Weg, veröffentlichte erfolgreiche Theaterstücke wie “Die Nacht der Tribaden” (Tribadernas natt) und “Verdunklung” (Till Fedra).
Berühmt wurde er in Deutschland durch den Roman “Der Besuch des Leibarztes”, aber er veröffentlichte noch einige andere Werke, die seinen besonderen Stil immer wieder neu erfahrbar machen lassen, wie: Das Kristallauge, Der fünfte Winter des Magnetiseurs, Die Ausgelieferten, Kapitän Nemos Bibliothek. Zuletzt machte er durch seine Autobiographie (jedoch distanziert in dritter Person erzählt) “Ein anderes Leben” (Ett annat liv) auf sich aufmerksam.
Enquist lebte und arbeitete zuletzt in Stockholm. Er starb im April 2020 nach längerer Krankheit im Alter von 85 Jahren.
Autorin: Tanja Brodbeck – [email protected]