Das Vorstellungsgespräch beginnt nicht, wenn du dem Interviewpartner gegenüber sitzt. Es beginnt auch nicht, wenn du die Firma betrittst und dich an der Rezeption mit klammen Händen in das Gästebuch einträgt. Es beginnt in dem Moment, in dem du dein Handy abnimmst.
Telefoninterviews
Telefoninterviews sind in Deutschland wohl auch am kommen, habe ich gehört. In Schweden sind sie gang und gäbe. Nach außen hin ist es ein ganz normales Gespräch. Aber keine Frage, man wird geprüft. Bei Ausländern wird vor allem die Sprache abgeklopft, und selbst wenn man schon halbwegs sattelfest in der Sprache fühlt- am Telefon sprechen ist viiiiel schwerer. Das Gespräch selbst besteht vornehmlich aus Smalltalk, und wenn man einen halbwegs passablen Eindruck macht, erfolgt die Einladung zum Vorstellungsgespräch. Ich habe jedes Mal auch um eine Emailbestätigung gebeten- um sicher zu gehen, dass ich Namen und Termin auch richtig verstanden hab.
DAS Gespräch
Das Vorstellungsgespräch selbst läuft etwa so ab, wie man es aus Deutschland kennt: Frage-Antwortrunde, eventuell ein Rundgang am potentiellen Arbeitsplatz. Ein Klischee über Schweden habe ich während dieser Gespräch oft bestätigt gefunden: Schweden ertragen es nicht, wenn sich jemand anderes unwohl fühlt oder blamiert. Entsprechend gleicht ein Vorstellungsgespräch in Schweden einem Eiertanz: Sobald man signalisiert, dass einem die Frage unangenehm ist, wird der Interviewpartner einlenken. Tut man das aber zu oft, bekommt der Chef den Eindruck, du passt nicht in die Firma, und wird dich nicht einstellen. Da sollte man sich keine Illusionen hingeben. Du kannst noch so gut und qualifiziert sein, wenn der Chef denkt, du passt nicht, bekommst du den Job nicht. Gut in die Gruppe und die Firma passen scheint hier wichtiger zu sein, als die perfekte Qualifikation zu haben.
Die Bewerbungsfragen sind so unterschiedlich wie die angebotenen Jobs. Hier eine (unvollständige) Liste der beliebtesten Fragen bei den Gesprächen:
- Warum ist man nach Schweden gezogen? Da sollte man nach Möglichkeit nicht anfangen, über Deutschland, seine unmöglichen Chefs oder miesen Arbeitsbedingungen zu schimpfen, auch wenn man einen Grund dazu hat (die meisten von uns haben den). Besser: Schweden in den höchsten Tönen loben. Die Natur, die Seen, alles was einem einfällt. Schweden lieben ihr Land, haben aber einen leichten Minderwertigkeitskomplex. Zu hören, wie ein Fremder ihr Land lobt, entwaffnet sie total.
- Wie lange möchte man bleiben? Mindestens ein Jahr, alles kürzere kostet dir Firma zu viel Aufwand bei der Einarbeitung.
- Beste und schlechteste Eigenschaft? Das haben sie aus nem Bewerbungsratgeber kopiert. Mein Tip: so ehrlich wie möglich, aber nit übertreiben. Lautet die Frage: “wo möchten sie sich verbessern?” kann man getrost die Sprachkenntnisse anbringen- das stimmt immer.
- Was hat man in den letzten Monaten in Schweden gemacht, seit man da ist? Ein Unterschied zu Deutschland, wo immer noch in ”positive” und ”Negative” Aktivitäten unterschieden wird. Alles, was man an Aktivitäten gemacht hat, ist positiv. Ideal sind Kurse oder Weiterbildungen, aber auch Sportkurse o.ä. bringen Pluspunkte.
- Warum hat man sich auf diesen Job beworben? Ist man in dem Job ausgebildet, kennt man die Antwort wohl schon. Ansonsten- Improvisieren!
- Warum hat man sich bei der Firma beworben? Dito
Zeugnisausgabe
Ihr merkt schon, es sind die selben Fragen die man aus Deutschland kennt. Einen Unterschied gibt es noch: Man bringt zum Gespräch seine Arbeitszeugnisse mit und zeigt diese vor. Da man ja bei der Bewerbung (siehe letzten Mal) keine Zeugniskopien bei der Bewerbung mitschickt, sieht der potentielle Arbeitgeber die Zeugnisse nun zum ersten Mal. Ich hatte immer Übersetzungen meiner (deutschen) Zeugnisse mit, was sehr gut ankam. Die Übersetzungen habe ich selbst gemacht, ich hatte zuerst Angst, dass ich den Code, der ja in Arbeitszeugnissen verwendet wird, nicht erfasse, aber das war kein Problem: kein Schwede kennt den Unterschied zwischen „zufriedenstellend“, „sehr zufriedenstellend“ und „im höchsten Maße zufriedenstellend“. Und wenn sie ihn kennen würden, wäre es ihnen egal. Diese Information erhält der Arbeitgeber von den angegebenen Referenzen, die er anrufen und nach dem Bewerber ausfragen kann. Mogeln sollte man bei der Zeugnisübersetzung aber trotzdem nicht. Sehr viele Schweden hatten deutsch in der Schule, oder haben einige Zeit im Ausland erlebt. Sie merken, wenn jemand sein Zeugnis geschönt hat, und dann sinken die Chancen auf den Job gegen null.
Und noch einmal warten
Das Gespräch dauert ca. Eine halbe bis eine Stunde. Und dann heißt es schon wieder warten. Meistens kommt die Antwort innerhalb einer Woche. Und dann hat man vielleicht eine der schwierigsten Etappen für den Auswanderer geschafft- den Einstieg auf dem schwedischen Arbeitsmarkt.
Autorin: Tina Skupin – [email protected]