Als ich mit dem Hund von der Morgenrunde komme, glaube ich meinen Augen nicht zu trauen: vier Igelkinder sitzen unter dem Rhododentron vor der Haustür. Also nichts wie rein ins Haus mit dem Hund und stattdessen Kamera und Tochter holen. Neben der Haupteingangstür tummeln sich da gleich noch drei weitere Igelkinder! Die Mama liegt derweil unter der Treppe und schläft erschöpft, wen wundert’s bei sieben Babys. Die sind nicht faul und entdecken die kleine Welt unseres Vorgartens. Dass sie jetzt für eine Fotoserie still halten sollen, gefällt ihnen gar nicht. Wie kleine Katzen fauchen sie was das Zeug hält. Und jetzt wird mir klar, was das für ein beißender Geruch war, der mir gestern aufgefallen ist, als ich etwas Laub weggefegt habe. Er kam jedenfalls nicht von der streunenden Nachbarskatze. Und ist das vielleicht auch die Ursache, dass überhaupt so viel Laub am Eingang lag? 25 Fotos später muss ich mich dann von diesem süßen Anblick los reißen. Die Kleinen sollen ja nicht schon so früh am Morgen solchem Stress ausgesetzt werden. 10 Minuten später: nur noch einmal nachschauen, ob noch alle da sind. Mittlerweile krabbeln 5 von ihnen unter der Treppe auf der Igelmama herum. Zwei kleine Ausreiser verpassen gerade die Fütterungszeit. Hoffentlich sind sie nicht zu waghalsig. Die Straße ist nicht weit und wer rechnet schon am hellen Vormittag mit Igelwechsel?
Tags darauf tummeln sich die Kleinen zur gleichen Zeit wieder im Vorgarten. Eine neuerliche Volkszählung ergibt, dass es sich sogar um neun (!) Igelkinder handelt. Das ist beachtlich, wenn man bedenkt, dass Igelweibchen bis zu 11 Junge bekommen können, der Durchschnitt aber bei 4 Jungen liegt. Da die kleinen Igel blind geboren werden und erst nach ca. 25 Tagen erstmals ihr Nest verlassen, müssen sie also schon seit einiger Zeit unter der Haustürtreppe wohnen. Auch in den folgenden Tagen begegnen wir ihnen regelmäßig, vor allem in der Abenddämmerung, wenn sie sich aufmachen, die Gegend zu erkunden und neben der Muttermilch auch feste Nahrung zu suchen. Das kann uns nur recht sein, denn Igel sind reine Fleischfresser und ernähren sich am liebsten von Insekten, Larven, Schnecken, Tausendfüßlern und ähnlichem Getier. Die Mutter hilft ihnen dabei nicht. Sie sind auf sich allein gestellt.
Einmal verirrt sich einer der Kleinen in unsere Garage. Dort kann er natürlich nicht bleiben und mit einem Paar festen Lederhandschuhen bewaffnet mache ich mich auf, ihn einzufangen. Er faucht und zuckt mir entgegen, dass dem über 120 Mal schwereren Lebewesen, das ich bin, beinahe angst und bange wird. Schließlich kriege ich ihn zu fassen und dann – in einem Reflex – rollt er sich zusammen und klemmt meinen Lederhandschuh in seiner Bauchfalte ein.
Bald darauf treffen wir sie nicht mehr an. Sie haben das Nest endgültig verlassen. Was bleibt ist Igellosung überall auf dem Grundstück verteilt.
Autor(in): Angelika – [email protected]