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Haga – Göteborgs erste Vorstadt

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Historisches aus Göteborg. Bild: Katja Singer

In Göteborg braucht man nicht bei Adam und Eva anzufangen – die eigentliche Stadthistorie ist kurz: Erst im Jahre 1621 von Gustav II. Adolf gegründet, ist die Kernstadt Göteborgs sprichwörtlich Neuland. Sinn und Zweck der Stadtgründung war vor allem die Verteidigung – gegen die damaligen „Großmächte“ – Dänemark und Norwegen. Da diese sich vehement und ständig gerade um dieses Stück von Schweden zankten, war es nie wirklich als ständiger Wohnsitz attraktiv. Und nur deshalb baute man Göteborg wie ein Bollwerk auf – mit ausgezackten Wallgräben, hohen Mauern und einer aufstrebenden Bebauung im Kern. Die Festungsstadt Gustaf Adolfs gab der Bevölkerung leidlich Schutz vor den immer wiederkehrenden, ermüdenden und blutigen Angriffen. Erst nach dem Frieden von Roskilde 1653 fand die neue Stadt ein wenig mehr Ruhe, um sich weiter zu entwickeln. Mit Hilfe holländischer Baumeister, die sich aufs Trockenlegen verstanden und die zudem hübsche Fassaden schufen.

Das Göteborg jener Tage war sozusagen „kopfgesteuert“: Eine militärische Führung hatte das Sagen, und die Verteidigung der Stadt hatte immer Priorität. Umso amüsanter ist es anzusehen, wie die Göteborger der frühen Neuzeit immer nach Schlupflöchern in den dicken Mauern suchten – und um die Festung herum ihren eigenen kleinen Geschäften nachgingen.

So ist der Stadtteil Haga entstanden. Hier wohnten alle, die hinaus wollten aus der Stadt. Aber auch jene, die man nicht hinein ließ. Zum Beispiel die Norweger. Als die Bohus-Feste im Norden endlich schwedisch wurde, ging die norwegische Besatzung nicht etwa „nach Hause“, denn sie waren an Schwedens Küste längst heimisch geworden.

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Haga: Flüchtlingslager, Arbeitersiedlung, Shopping-Meile

Norwegische Stallburschen, Küchenjungen und Handwerker standen somit plötzlich in Göteborg vor der Tür und dachten nicht daran, umzukehren. Die Überlieferung spricht davon, dass die schwedischen Militärs sich auf ihre Weise erbarmten: Sie legten ein paar Holzplanken in den Matsch draußen vor den Mauern und hatten damit ein billiges, gut zu kontrollierendes Flüchtlingslager ausgewiesen. Die Norweger dankten es mit dem Bau der ersten Vorstadt: Haga, die sich seither durch eine rege Handwerkstätigkeit auszeichnete.

Aber es gab auch jene anderen, die einen wild gebauten Holzhütten-Slum der festen Burg vorzogen. Kleinkriminelle und Randberufler, Seeleute und Hafenarbeiter. Letztere sollen sich sogar aus reiner Bequemlichkeit in Haga angesiedelt haben – denn von hier hatten sie einen kürzeren Fußweg zum neuen Hafen, ihren Arbeitsplatz. Tatsächlich hatten die ungeübten Stadtväter Schwierigkeiten, Göteborg selbst mit Zivilisten zu füllen – das geht aus den Stadtchroniken jener Zeit hervor.

Und man befand sich immer noch, und immer wieder, im Krieg. Die dänische Grenze lag gerade mal 20 Kilometer südlich – und wenn ein Überfall drohte, wurde ganz Haga kurzerhand niedergebrannt. Aus Sicherheitsgründen. Weil die Militärs dann einfach „weiter gucken konnten“. Weil sie Nachschub bringen mussten zur Geschützstellung auf dem Skansberget, der aus dem Marschboden hervorsticht wie ein Dorn. Eine schnurgerade Steinbrücke führte dazu aus der Festungsstadt hin zum Berg Skansen Kronan, der heute beliebter Aussichtspunkt ist. Alles Störende drumherum musste in Kriegszeiten weichen – mit Evakuierungen, und letztlich kontrollierten Feuersbrünsten. Das geschah im 17. Jahrhundert mindestens zweimal – doch immer wieder siedelten sich Leute in Haga an.

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Mopeds und Rollkoffer sind die Ausnahme…

Heute ist Haga das pittoreske Viertel und die eigentliche „Altstadt“ von Göteborg, wobei die meisten Häuser immer noch in Holzbauweise, aber teils auch im Backstein-Look die Touristen bezaubern. Die heute restaurierten Gebäude stammen vielfach aus dem 19. Jahrhundert und stehen unter Denkmalschutz. Dass Haga stets ein besonderer Flecken Erde war, zeigt die Stadthistorie durchgehend: Hier entstanden erste Protetariersiedlungen im Zuge der Industrialisierung, hier bildete sich ein „Künstler-Viertel“ heraus, später auch eine Hochburg der Hausbesetzer- und der Öko-Szene. „Lebens“-Künstler und Kreative sind hier immer noch zu Hause, aber auch Familien mit Kindern und Pensionäre halten Haga nach wie vor für attraktiv. Als Fußgängerzone ist das Viertel Anziehungspunkt für Shopping-Freunde, denn individuelle Kleinst-Geschäfte und charmante Cafés säumen die Hauptstraße. Des Abends ist es hingegen ruhig und anwohnerfreundlich. Manchmal sogar zu ruhig! Jüngst werden in Haga sogar Rollkoffer geächtet, die nach 22 Uhr über die Kopfstein-Pflaster poltern. Ein entsprechendes Schild hängt mahnend in der „Haga Nygata“. Solche Probleme hätten die Haga-Vorfahren von 1600-dunnemal sicherlich gern gehabt: Damals, als die Dänen durchzogen – mit Kanonen im Gepäck…

Fotos: Katja Singer
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Autor(in): Katja Singer – [email protected]

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