Güter und Waren werden im Almedalen schon lange nicht mehr umgeschlagen. Der mittelalterliche Hafen der Hansestadt Visby ist längst verlandet und zu einem großzügigen Park umgestaltet worden. Doch jeden Sommer ist es eine Woche lang mit der Beschaulichkeit vorbei. Die “Almedalsveckan” (=Almedalswoche) blickt auf eine über 40-jährige Tradition zurück. Eine Woche lang steht Visby ganz im Zeichen der Politik. Keiner der Vorsitzenden der im schwedischen Reichstag vertretenen Parteien kann oder will es sich leisten, in der ersten Juliwoche nicht auf Gotland zu sein.
Begonnen hat alles im Jahr 1968. Gotlands Sozialdemokraten baten damals Olof Palme, eine Rede in Visby zu halten. Familie Palme verbrachte ihren Sommerurlaub seit Jahren auf Fårö – und Olof Palme, damals schwedischer Bildungsminister, war einverstanden. Schon im Verlauf der 70er Jahre entwickelte sich die Almedalsveckan zum wohl wichtigsten politischen Treffpunkt Schwedens, in der über Parteigrenzen hinweg gesellschaftspolitische Fragen diskutiert wurden und werden.
Jede der im schwedischen Reichstag vertretenen Parteien hat ihren eigenen Tag, an dem der oder die Vorsitzende eine etwa einstündige Rede hält. Penibel verfolgt von den Medien, gelten die Ausführungen der Parteien nicht etwas als “Sonntagsreden”, sondern als aktuelles Statement und Richtungsweiser für die künftige Politik.
Neben den Parteien sind bei der “Almedalsveckan” aber auch viele andere Verbände und Institutionen vertreten – mit Podiumsdiskussionen, Workshops und Mitmach-veranstaltungen. Viele Interessen und Meinungen sind vertreten, wenn Gewerkschaften, Umweltverbände, Kirchen, Medienhäuser, Städte und Gemeinden sowie Kultur- und Bildungseinrichtungen einladen. Die Veranstaltungen sind grundsätzlich kostenfrei und offen für alle. Diskutiert wird über wohl jedes gesellschaftspolitische Thema, das man sich denken kann: Gesundheit, Energie, Klima, Flüchtlingspolitik, Arbeit …
Seit den Anfängen 1968 ist die Almedalswoche um ein Vielfaches angewachsen, und in den vergangenen Jahren mahnen Kritiker, dass die Kapazitätsgrenzen erreicht seien. 2019 hat das offizielle Programmheft über 300 Seiten, und es gibt eine Programm-App für das Smartphone, damit man die über 3000 Veranstaltungen auch alle unter einen Hut bekommt. Wer einen Blick in das Programmheft werfen möchte, kann unter www.almedalsveckan.info nachschauen.
Autor: Christoph Baier – [email protected]