Soll man ihn nun als schwedische Delikatesse empfehlen oder davor warnen. Unter Schweden soll dieser vergorene Hering ja sehr beliebt sein, ein Nicht-Schwede bekommt wahrscheinlich eher einen Schock wenn er die Dose öffnet.
Gehört hat man vielleicht schon von diesem stinkenden Fisch, aber die wenigsten wollen ihn probieren.
Was genau ist nun ein Surströmming? Ein Strömming ist ein Hering, und ein “Sur-strömming” ist ein saurer Hering, das ist die wörtliche Übersetzung. Er wird aus Ostseeheringen hergestellt, die zunächst in eine starke Salzlake eingelegt werden, damit das Blut heraus gespült wird. Anschließend kommen sie in eine leichtere Salzlösung, in der sie dann zu gären beginnen.
Die eigenen Enzyme setzen diesen Gärungsprozess in Gang. In Kombination mit Bakterien bilden sich verschiedene Säuren wie Propionsäure, Buttersäure und Essigsäure. Außerdem entsteht Schwefelwasserstoff. Nach etwa 8 Wochen werden die Heringe dann in Dosen verpackt und in diesen Dosen gärt der Hering weiter vor sich hin. Das geht soweit, dass sich Boden und Deckel der Dosen wölben. Eigentlich denkt man, so etwas kann man doch nicht mehr essen, aber man kann. Das heißt, die Schweden können es.
Die Vergärung von Lebensmitteln ist eine uralte Konservierungsmethode. Im 16. Jahrhundert mangelte es in Schweden an Salz. Daher verwendete man für die Konservierung weniger Salz und überließ den Fisch der eigenen Gärung. So entstand der Surströmming.
Die Höga Kusten, die Küstenregion zwischen Örnsköldsvik und Härnösand, ist die Heimat des Surströmmings. Aber er wird inzwischen an der gesamten Ostseeküste verarbeitet und im ganzen Land verkauft und gegessen.
Surströmming hat in Schweden Tradition. Mit der Surströmming-Premiere beginnt jedes Jahr am dritten Donnerstag im August der Verkauf dieser „Spezialität“. Im Jahre 1937 hat man diesen Termin so festgelegt, um sicherzustellen, dass der Hering genügend gereift ist. Heute gilt diese Vorgabe nicht mehr, aber die Tradition besteht trotzdem weiter. Vor einiger Zeit war der Surströmming vom „Aussterben“ bedroht, aber das wollten die Schweden nicht akzeptieren. Man war nahe daran, diesen Hering in Schweden zu verbieten. Surströmming enthält zu hohe Werte an Dioxin und PCB und überschreitet damit die Grenzwerte in der EU. Schweden war eine Ausnahme, aber diese Ausnahme sollte nur bis 2011 gelten. Es gelang den Schweden jedoch, weiterhin diese Ausnahmeregelung genehmigt zu bekommen. Diese Tradition lässt man sich nicht wegnehmen: Es gibt sogar eine „Surströmmingsakademie“, die sich für den Erhalt dieser Kultur einsetzt.
Wie isst man denn nun diesen Fisch und wie geht man mit diesen verbeulten Dosen um?
Es heißt, man soll die Dosen unter Wasser öffnen, sonst hält man den Gestank nicht aus. Aber irgendwann nimmt man das Zeug ja dann aus dem Wasser heraus und dann ist es passiert. Der Geruch verteilt sich in Sekundenschnelle in der ganzen Wohnung. Ich selbst habe noch nie einen schlimmeren Gestank erlebt, sogar meine Katze hat schnellstens die Flucht ergriffen. Aber man muss es mal probieren. Oder lieber nicht? Vielleicht hilft es, wenn man die Dosen lieber im Freien öffnet, wie es auch oft empfohlen wird.
Surströmming soll ja ganz gut schmecken, wenn man sich über den Geruch hinwegsetzen kann. Die Schweden wickeln ihn gerne in Tunnbröd (dünnes Fladenbrot) und essen ihn zusammen mit Mandelkartoffeln, Zwiebeln, saurer Sahne und Tomaten.
Hauptsächlich von der Höga Kusten stammt das traditionelle Surströmmingsklämma. Hier wird der Surströmming zusammen mit pürierten Mandelkartoffeln auf die harte Variante des Tunnbröds gestrichen und dann zusammengelegt (zusammengeklemmt). Dazu trinkt man traditionell kalte Milch, Aquavit oder Bier.
Die Schweden können mit dem Geruch umgehen, sie sind aber auch der Meinung, wenn er zu sehr stinkt, dann stimmt etwas nicht. Er stinkt angeblich nur so extrem, wenn er noch nicht fertig ist. Wichtig ist auch, dass er rosa ist, wenn man die Dose öffnet, grau sollte er nicht sein.
Auf jeden Fall hat der Fisch nicht nur Liebhaber. Die Fluggesellschaften Britisch Airways und Air France haben die Mitnahme an Bord verboten.
Aber Surströmming gehört zu Schweden wie kaum ein anderes Gericht. Und auch wenn nur etwa die Hälfte der Schweden diesen Fisch wirklich mag – die andere Hälfte akzeptiert ihn halt einfach – so gibt es wohl nichts wirklich Schwedischeres als im Spätsommer Surströmming zu verspeisen.
Autor(in): Heide – [email protected]